Professor Kuan-Hsiung Wang
Graduate Institute of Political Science,
National Taiwan Normal University
Die wachsenden Spannungen im Südchinesischen Meer bedrohen Frieden und Stabilität in einer Region, durch die einige der weltweit wichtigsten Schifffahrtswege verlaufen. In den letzten Monaten, als die Besorgnis der internationalen Gemeinschaft zunahm, gab es eine beträchtliche Medienberichterstattung über das von den Philippinen am Ständigen Schiedshof (Permanent Court of Arbitration; PCA) angestrengte Schiedsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Ansprüche der Volksrepublik China im Südchinesischen Meer.
Bisher sind zwei Anhörungen vor dem Schiedshof erfolgt — eine im Juli 2015 über die Zuständigkeit und Zulässigkeit, nach welcher das Schiedsgericht am 29. Oktober urteilte, den Fall anhören zu können, und eine weitere in der letzten Novemberwoche des Jahres 2015. Im Schiedsverfahren bestreiten die Philippinen den Status der Insel Taiping (Itu Aba), die zum Hoheitsgebiet der Republik China (Taiwan) gehört. Mit der Behauptung, es handle sich um einen Felsen statt einer Insel, untergraben die Philippinen die Anstrengungen zur Beilegung der Streitigkeiten und zur Förderung der Stabilität.
Die Insel Taiping
1946 erhielt die Republik China (Taiwan) die Inseln und geologischen Formationen der Nansha-Inseln (Spratly) von Japan zurück, einschließlich ihrer größten natürlich gebildeten Insel — der Insel Taiping. Nach den Mitschriften aus den zwei Anhörungen versuchten die Philippinen zu einer Einstufung der Insel Taiping als Felsen zu gelangen, indem angegeben wurde, sie habe eine Fläche von weniger als 0,43 Quadratkilometern, keine dauerhafte Bevölkerung, kein Trinkwasser und könne nur begrenzte Mengen landwirtschaftlicher Erzeugnisse hervorbringen.
Entgegen der philippinischen Aussagen besitzt die Insel Taiping jedoch eine ausreichende Wasserversorgung. Es gibt mehrere Grundwasserbrunnen auf der Insel, von denen einige bereits in Gebrauch waren, lange bevor im Jahr 2000 Taiwans Küstenschutzverwaltung die Verwaltung der Insel vom Militär der Republik China übernahm. Die Insel verfügt über eine Landfläche von 0,5 Quadratkilometern, versorgt dauerhaft mehr als 100 Menschen und die dortige funktionierende Farm produziert vielerlei Obst und Gemüse, einschließlich Mais, Süßkartoffeln, Mangos und Guaven. Außerdem gibt es ein Krankenhaus, welches dem dort stationierten Personal sowie ausländischen Fischern, die in der Gegend tätig sind, eine medizinische Notfallbehandlung bietet.
Es ist offensichtlich, dass die Insel Taiping gemäß Artikel 121 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UNCLOS) als Insel zu definieren ist. Warum behaupten die Philippinen dann, es handle sich um einen Felsen?
Ausschließliche Wirtschaftszonen
Der Abstand zwischen der Insel Taiping und der philippinischen Insel Palawan beträgt etwa 199,6 Seemeilen. Da jede der Inseln einen Anspruch auf eine ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) von 200 Seemeilen begründet, würden sich diese Zonen in einem großen Gebiet überschneiden. Wenn der Insel Taiping eine 200 Seemeilen große AWZ und ein Festlandsockel zugestanden würde, müsste zudem der Verlauf der Grenzen der jeweiligen Hoheitsbereiche im gesamten sich überlappenden Bereich festgelegt werden, was nicht in die Zuständigkeit des Schiedshofs fiele.
Offensichtlich ist die Behauptung, dass die Insel Taiping nur ein Felsen sei, abwegig. Die Philippinen bringen diesen Punkt an, um behaupten zu können, dass die AWZ um Palawan sich nicht mit einer Meereszone überschneide, die durch andere seerechtliche Ansprüche begründet werden könnte. Mit dieser Behauptung argumentieren die Philippinen unter Berufung auf den Fall Nicaragua vs. Kolumbien (2012) oder die Inseln St. Martin’s und Abu Musa (Festlegung der Seegrenze zwischen Bangladesch und Myanmar, 2012), dass das Seegebiet um die Insel Taiping auf 12 Seemeilen beschränkt werden sollte, womit bei der Definition des Meeresgebiets für die Insel Taiping voreilige Schlüsse gezogen würden. Die Philippinen ignorieren vorsätzlich die Tatsache, dass es bei diesen Fällen um die Abgrenzung von Meereszonen ging.
Bei der Argumentation der Philippinen bezüglich Taiping handelt es sich schlicht und einfach um eine juristische Taktik, die nicht dazu beiträgt, eine praktikable Lösung für die Streitigkeiten im Südchinesischen Meer zu finden. Darüber hinaus könnten bei dieser Haltung der Philippinen die Spannungen weiter eskalieren.
Irreführende Behauptungen
In ihrer Erklärung an das Schiedsgericht entstellen die Philippinen Zitate von Präsident Ma Ying-jeou. In einem Fall wird behauptet, dass der Präsident geschrieben habe, die Regierung der Republik China habe erstmals im Jahre 1935 die Souveränität über die Inseln südlich der Shisha-Inseln (Paracel) beansprucht. Tatsächlich sagte der Präsident in der Quelle für diese Zitate, dass die Republik China 1935 eine Karte der Inseln veröffentlicht habe, auf welcher sie zum ersten Mal in vier verschiedene Gruppen aufgeteilt worden seien. Im selben Abschnitt erklärt Präsident Ma klar und deutlich, dass die Regierung der Republik China ihre Souveränität über die Inseln schon im frühen 20. Jahrhundert mit diplomatischen Mitteln verteidigt habe.
Durch die Anfechtung des rechtlichen Status der Insel Taiping untergraben die Philippinen letztlich gegen ihre eigenen Interessen die faire und gerechte Anwendung des UNCLOS. Um langfristig Stabilität in der Region zu gewährleisten, müssen alle beteiligten Parteien die Grundsätze und den Geist des Völkerrechts respektieren und eine friedliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen anstreben, wie es in Präsident Mas Friedensinitiative für das Südchinesische Meer vorgeschlagen wird.